sweets processing 1-2/2023

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Die Zeit drängt

Der Druck aus der Politik auf alle Marktteilnehmer im Sinne des Klimaschutzes nimmt zu. Angesichts dessen diskutierten Entscheider und Projektverantwortliche aus Industrie, Handel, Wissenschaft und Forschung auf der 32. Dresdner Verpackungstagung viele verschiedene Ideen und Möglichkeiten für nachhaltige und kreislauffähige Verpackungen.

Von Alfons Strohmaier


Rund 200 Teilnehmer aus der ­gesamten Wertschöpfungskette trafen sich kürzlich zur 32. Dresdner Verpackungstagung des Deutschen Verpackungsinstituts e. V. (dvi), um sich über aktuelle Entwicklungen, aber auch neue Ideen und Möglichkeiten für eine Kreislaufwirtschaft der Verpackung zu informieren und intensiv zu diskutieren. Welchen Beitrag könne die Branche angesichts der zahlreichen Krisen leisten, fragte eingangs dvi-Geschäftsführer Winfried Batzke, der in gewohnt souveräner Manier die Präsenzveranstaltung moderierte. Immer wieder wurde während der zweitägigen Veranstaltung darauf hingewiesen, dass die Zeit dränge, denn der Druck von Politik und Gesetzgebung auf die ­gesamte Branche werde immer stärker. Vor allem die festgesetzten Klimaziele und die CO2-Reduktion werden in Zukunft der Wirtschaft und dem Verpackungssektor enorme Anstrengungen abverlangen.

Doch mit welchen Mitteln könnte eine nachhaltige und klimaneutrale Kreislaufwirtschaft mit Zero Waste erreicht werden? Die 15 Vorträge von Wissenschaftlern, Consultants, Branchen­experten sowie den Verantwortlichen aus renommierten Unternehmen und den Vertrtern zahlreicher Start-ups zeigten viele unterschiedliche und faszinierende Ansätze. Dabei wurden vor allem drei Richtungen deutlich: die Optimierung von Recycling durch hochmoderne digitale Technologien, die einen wesentlich höheren Einsatz von Rezyklaten ermöglichen, die Substitution von Kunststoffen durch biobasierte und kompostierbare Materialien sowie der Einsatz von mehr Mehrwegsystemen. Am Ende der Tagung mit Best-Practice-Beispielen führender Mittelständler, Start-up-Power und wertvollen Insights aus der Markenartikel-Industrie war klar: Den einen „Königsweg“ zur Kreislaufwirtschaft gibt es nicht, es sind vielfältige Anstrengungen erforderlich.

Vor diesem Hintergrund wünschten sich die Teilnehmer aus der ­Markenartikelindustrie bei der Auftakt-Runde unter dem Titel „Ver­packung als Basis erfolgreichen Handelns“ mehr Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette. „Wir würden gerne mal mit allen ­Beteiligten sprechen, etwa auch mit den Dualen Systemen und den Sortierern, um den Prozess besser zu verstehen“, bekundete Katja Binder, Abteilungsleiterin Verpackungsentwicklung bei Ritter Sport. Zusammen mit Lorenz Dobiaschowski von Develey Senf & Feinkost und Daniel Reichenbach von der Molkerei Gropper teilte Katja Binder die Sicht und die Nöte der Markenartikler mit. So hatte bei allen Firmen in den vergangenen Monaten die Frage der Verfügbarkeit von ­Materialien absolute Priorität. „Da wurden auch vom Handel schon mal Nachhaltigkeitsprojekte zurückgestellt, die aber jetzt wieder vehement eingefordert werden“, so Reichenbach.

Eines der grundsätzlichen Themen im Fokus der Netzwerkplattform waren Sortierung und Recycling, die unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet wurden. So rückten Peter Hengesbach, Product End of Life Compliance Manager bei Stora Enso, August Wanninger, Director Inno­vation & Product Development von Linhardt, einem mittelständischen Hersteller von Tuben, Dosen und Röhrchen aus Aluminium und Kunststoff, sowie Peter Görlitz, Sustain­ability Manager Europe bei Sonoco Consumer Products Europe, die Recyclingmöglichkeiten von Faserverbunden, Aluminium- oder Kombidosen als sinnvolle und verantwortungsvolle Alternativen ins Rampenlicht.

Weitere Vorträge widmeten sich neuartigen, besonders innovativen Ansätzen der Künstlichen Intelligenz (KI) und Digitalisierung, mit denen Sortierung und Recycling effizienter werden und so die Verwertung der Werkstoffe erheblich verbessert wird. Thomas Hermanns, Projektingenieur beim Institut cyclos-HTP, demonstrierte ein Software-Tool zur individuellen Bewertung von Verpackungen, inklusive einer Datenbank zur Ermittlung und Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen, verschiedenen Exportfunktionen sowie einem Zertifikatsarchiv. Prof. Andreas Maier vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS stellte das Projekt K3I-Cycling vor, wobei hier der Einsatz von KI die Sortier- und Recyclingprozesse weitaus optimaler steuern könne.

Einen Schritt weiter ist das Unternehmen Polysecure. Gründer und CEO Jochen Moesslein erläuterte den aktuellen Stand bei Sort4Circle, der ersten technologieoffenen und kreislauffähigen Sortiertechnologie mittels Markern, die als Additive fälschungssicher in Kunststoffe eingearbeitet werden. Dies stellt zum einen die Materialverfolgung sicher, um das Lieferkettengesetz zu erfüllen, und führt zum anderen bei Sortierung und Gewinnung von Rezyklaten zu wesentlich besseren Ergebnissen.

Einen komplett anderen Weg hin zu neuen biobasierten und natürlich abbaubaren Materialien haben die Firmen eingeschlagen, deren Inhaber sich im Themenblock „Substitution“ mit kurzen Pitches vorstellen durften. Tahsin Dag, der 2013 den Faserguss-Hersteller PaPacks Sales mit heute fünf Standorten in Europa gründete, ist überzeugt, dass Faserguss auf Basis von Frischfasern aus nachwachsenden Rohstoffen wie Industriehanf und sogenannten Paludi-Kulturen künftig Kunststoff ersetzen und schnell Lösungen zur CO2-Einsparung bieten könne.

Auch die drei Start-ups, die ihre Lösungen präsentierten, substituieren Kunststoffe durch Naturmaterialien: Ronald Goldbach von Plant Pack erläuterte die Vermarktung von Verpackungsmaterialien aus Maisgrieß als Styroporersatz, während Hannes Füting, CMO von Superseven, zeigte, dass Zellulose-Folien für Lebensmittelverpackungen bereits mit großem Erfolg von Trendmarken verwendet werden. Schließlich hatten Juni Neyenhuys und Annekathrin Grüneberg, Gründer der mujo GbR, Folien aus Braunalgenpolymeren mitgebracht, die ihrem Urteil nach den PLA- sowie PP-/PE-Folien in Bezug auf die Öko-Kriterien deutlich überlegen sind. In der anschließenden, sehr intensiven Diskussion mit dem Auditorium zeigte sich unter anderem, dass derzeit die Gesetzgebung und insbesondere unklare Regularien die weitere Entwicklung von Bioplastik in Europa hemmen.

 

http://www.verpackung.org


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