sweets processing 1-2/2023

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Eiscreme ohne Zucker

Beim Eisschlecken isst das schlechte Gewissen oft mit. Der Ersatz des „problematischen“ Zuckers scheitert jedoch häufig an der Akzeptanz der Konsumenten, denn das Eis soll süß und fruchtig schmecken, cremig sein und ein wohliges Mundgefühl erzeugen.

Von Dr. Jörg Häseler


Lebensmitteltechnologen sowiechemiker der Technischen Universität Berlin (TUB) und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wollen aus faserreichen Nebenprodukten der Lebensmittelherstellung Ballaststoffe gewinnen, mit denen Zucker in Speiseeis ersetzt werden kann. Nebeneffekt: Das Verfahren trägt zur Vermeidung von Abfällen bei.

„Zucker süßt das Speiseeis nicht nur“, erklärt Prof. Stephan Drusch von der Fakultät Prozesswissenschaften vom Fachgebiet Lebensmitteltechnologie und -materialwissenschaften der TUB, „Zucker spielt eine bedeutende technologische Rolle in der Herstellung und ist so mitverantwortlich für dessen Struktur und Cremigkeit.“ So führt eine Reduktion des Zuckergehalts zu einer wahrnehmbaren Veränderung des Mundgefühls. Daher steht das Ziel einer ernährungsphysiologischen Verbesserung von Speiseeis in Konkurrenz zur Akzeptanz durch die Konsumenten. Die Wissenschaftler sehen in Ballaststoffen aus Nebenprodukten der Lebensmittelherstellung eine mögliche Lösung. Der Umbau von Kohlehydraten aus Resten von Erbsen, Karotten und Früchten könnte Zucker reduzieren und das Mundgefühl erhalten.

Die unlöslichen Fasermaterialien von Erbsenschalen, Karottenfasern und Fruchtresten aus der Saftherstellung wie Zellulose, Hemizellulosen und Pektin enthalten komplexe Kohlenhydrate. In dem Projekt „Ersatz von Zucker in Speiseeis durch potenziell präbiotische Oligo- und/oder Polysaccharide aus nachhaltigen Quellen“ wollen die Wissenschaftler diese Bestandteile durch spezielle Verfahren zu Oligosacchariden umbauen, wodurch sich deren funktionelle Eigenschaften verändern. „Es ist bekannt, dass derartige Materialien über eine verbesserte Wasserbindung die Struktur und das Mundgefühl verschiedener Lebensmittel positiv beeinflussen können und so eine Reduktion von Zucker ermöglichen“, sagt Stephan Drusch. „Aus ernährungsphysiologischer Sicht gelten sie wegen ihrer präbiotischen Wirkung immer noch als Ballaststoffe.“

Trotz dieser grundlegenden Erkenntnisse liegt noch viel Arbeit vor den Wissenschaftlern und vor dem ersten Eisgenuss ohne Reue, denn jedes Fasermaterial besitzt entsprechend seiner botanischen Herkunft ein unterschiedliches Kohlenhydratprofil. So muss der Prozess der Herstellung der Oligosaccharide – eine Kombination aus Enzymbehandlung sowie mechanischer Hochdruckbehandlung – spezifisch angepasst werden. Ziel der TUB-Arbeitsgruppe ist, durch das systematische Verständnis für diesen Prozess einen weiten Bereich pflanzlicher Nebenprodukte für den Einsatz in Speiseeis nutzbar zu machen.

Eine große Chance liegt in der heterogenen Zusammensetzung der Fasermaterialien. Dadurch entstehen sehr unterschiedliche Oligosaccharide mit einer breiten präbiotischen Wirksamkeit. Diese genau zu charakterisieren, ist die Aufgabe der lebensmittelchemischen Expertise der Arbeitsgruppe von Prof. Mirko Bunzel, Fachgebiet Lebensmittelchemie am KIT: „Das Nutzbarmachen bestehender Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie trägt zur Vermeidung von Abfällen bei der Lebensmittelherstellung bei. Und das Eis kann gesünder werden, wenn Zucker reduziert und durch Ballaststoffe ersetzt wird.“

 

http://www.kit.edu


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