sweets processing 7-8/2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Interdisziplinäre Projekte zur Verbesserung der Kakaoqualität

Der „Runde Tisch Kakao“ bot in seiner 10. Auflage eine Fülle von hochkarätigen Vorträgen, die den gesamten Bereich von der Bodenqualität über Wachstumsfaktoren und Nachernte-Behandlung bis hin zu Lager und Transport abdecken. Die Experten und Wissenschaftler präsentierten neueste Ergebnisse aus der Forschung im Hinblick auf die Entschlüsselung der wichtigsten Faktoren für die Qualität der Kakaobohnen.

Von Alfons Strohmaier


Die Jubiläumsveranstaltung war für Dr. Daniel Kadow (August Storck KG), den Programm­direktor des „Runden Tischs Kakao“ in Hamburg, und Aldo Cristiano, den Vorsitzenden der Stiftung der Deutschen Kakao- und Schokoladenwirtschaft, etwas ganz Besonderes. Was durch Prof. Reinhard Lieberei vor Jahren als kleiner Gesprächskreis initiiert wurde, habe sich zu einem bedeutenden zweitägigen Event entwickelt, das in diesem Jahr die Forscher und Wissenschaftler renommierter Universitäten auch in Präsenz wieder zusammengebracht habe, freute sich Dr. Kadow zum Auftakt der 10. Auf-lage. Unter dem Titel „Unravelling Key Drivers and their Impact on Cocoa Bean Quality“ präsentierten die mehr als ein Dutzend Experten neueste Erkenntnisse und Studien vom Kakaoanbau über die Nachernte-Behandlung bis zu Transport und Lagerung. Umrahmt wurden die Vorträge durch hochinteressante Poster-Darstellungen, die während der Pausen ständig umlagert waren.

Wie gewohnt, war der Runde Tisch geprägt von vielen Fragen und einer sehr lebhaften Debatte, die sich auch im Rahmen der Podiumsdiskussion fortsetzte. Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass es weiterer interdisziplinärer Ansätze und Forschungsprojekte bedarf, um die Kakao-bohnen- und Schokoladenqualität modellieren und die nach wie vor schwierigen Fragen nach Herkunft und Genotyp der Kakaobohnen beantworten zu können. Thematisiert wurde aber auch ganz deutlich, dass es neben der Zusammenarbeit und dem Netzwerk von Wissenschaft, Schokoladenherstellern und Politik in den Industrieländern auch großer gesellschaftlicher Anstrengungen bedarf, um die Ergebnisse auch an die Kleinbauern in den Erzeugerländern zu transferieren.

„Es gibt eine große Wissenslücke zu den Farmern, die wir dringend schließen müssen“, betonte etwa Prof. Ken Giller von der Wageningen University bei der Diskussion am Ende der Veranstaltung. In seinem Eröffnungsvortrag verwies er darauf, dass die Böden erschöpft seien und die Kakaobäume dadurch weniger Ertrag liefern. Mit dem Regenerationspro-gramm CocoaSoils sollen die begrenzten Kenntnisse über die richtige Bewirtschaftung der Plantagen verbessert werden, um Ertragspotenziale auszuschöpfen und das Einkommen der Farmer zu verbessern, aber auch um Null-Emissionen zu erreichen, die weitere Abholzung zu vermeiden und die Biodiversität zu erhalten.

Claudia Delbaere, Managing ­Director von Cacaolab bv, und Jocelyn De Wever, Expertin für Genotypisierung an der Universität Gent widmeten sich in ihrem Beitrag der genotypischen Plastizität und dem Einfluss des Fermentationsprozesses auf die Genfunktionen und biologischen Prozesse in Kakaobohnen. „Tasting“ bildet eine komplexe Kombination von Geruchs-, Geschmacks- und trigeminalen Empfindungen, die durch taktile, thermische oder kinästhetische Effekte beeinflusst werden, so die Erkenntnis. Bei der Unterscheidung zwischen Fine Flavour Cocoa wie Nacional aus Ecuador und dem Bulk Cocoa von CCN51 geht es in den Studien auch darum, wie stark das Ausgangs-Aroma der Bohnen durch die unterschiedlichen Fermentationsmethoden verändert wird – ob im Haufen mit Bananen-blättern, im Korb, in einer Holzbox, in Jutesäcken oder in Plastikeimern.

In den folgenden Beiträgen widmeten sich der Mikrobiologe Prof. Stefan Weckx (Vrije Universiteit Brussel) und Stefanie Streule von der ZHAW Life Sciences und Facility Management Forschungsgruppe für Lebensmittel-Biotechnologie aus verschiedenen Blickwinkeln speziell der Kakao-fermentation. Weckx erforscht mit der metagenomischen Sequenzierung die Veränderung der einzelnen Kakao-Varietäten bei den Fermenta-tionsprozessen in nterschiedlichen Behältern und erarbeitet ein Fine-Scale Monitoring der Starterkulturen. Streule berichtete von ihrer Reise durch Ecuador, wo sie etwa die Temperatur-Entwicklung in den diversen Fermentationsbehältern untersuchte. Es gelte, die funktionalen, antifungalen Starter-Kulturen, die im Labor entwickelt wurden, direkt vor Ort einzusetzen, so die Wissenschaftlerin. Erste Optimierungsmaßnahmen seien erfolgversprechend. Die größte Herausforderung bestehe jedoch darin, angesichts der komplexen Realität in den Erzeugerländern den Kakaobauern dieses Wissen nahezubringen.

Wie Networking und die Kooperation mit der Industrie funktionieren und zu wichtigen Forschungsvorhaben führen können, erläuterten Viktoria Cvetkovic von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) und Dr. Martin Steinhaus vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München mit Hauke Will von Ritter Sport und Dr. Christina Rohsius (JR Schokoladenfabrik). bei der angeregten und spannenden Podiumsdiskussion. „Die Wissenschaft hat viele Tools. Doch das reicht nicht. Wir müssen das Ganze zum Leben erwecken“, kommentierte Will. Auch hier wurde der erforderliche Wissenstransfer zu den Erzeugern hervorgehoben.

Dr. Steinhaus, der molekularbiologisch über die Schlüsselgeruchsstoffe forscht, erfuhr „zufällig“ bei einem Pausengespräch während des Runden Tischs Kakao 2015 von dem großen Problem der Fehlaromen. Dies brachte ihn zu seinem Förderprojekt, atypische Aromanoten in Kakao zu identifizieren sowie die Moleküle dahinter und deren Bildung beim Nachernteprozess zu erforschen. Jetzt könnte ein interdisziplinäres Nachfolgeprojekt mit Mikro- und Molekularbiologie und der Database der Systembiologen untersuchen, wann, wo und wodurch die Fehlaromen entstehen, und somit weitere Verbesserungen anstoßen, war die einhellige Meinung bei der Debatte.

Die Schokoladenverkostung unter dem Gesichtspunkt der molekularen Aroma- und Geschmackskomposition ausgewählter Small-Batch-Schokoladen mit Prof. Irene Chetschik und Karin Chatelain von der ZHAW sowie exzellente Vorträge von Prof. Markus Fischer (Universität Hamburg) zur Lebensmittelauthentifizierung, um Food Fraud ausfindig zu machen, und von Andreas Dunkel vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München über einen holistischen und integrativen Ansatz zur Modellierung der Kakaobohnen- und Schokoladenqualität rundeten die gelungene Jubiläumsveranstaltung ab.

Zuvor hatte Priscilla Efraim von der University of Campinas die Unterschiede der Kakaobohnenqualität bei Kakaobutter aufgezeigt. Und Dr. Fiona Lahive von der University of Reading berichtete über eine zukunftsweisende Studie, in der die Wissenschaftler die Auswirkungen von Klimawandel und höheren Temperaturen auf die Kakaophysiologie simulierten. Die grundsätzliche Fragestellung ist dabei, wie einzelne Genotypen auf die Veränderungen reagieren könnten.

Über die verschiedenen Möglichkeiten und aktuellen Herausforderungen für Transport und Lagerung der Kakaobohnen informierte Finn Börnsen, Geschäftsführer der traditionsreichen Vollers Group in Bremen – auch vor dem Hintergrund, dass sich Transport- und Lieferzeiten auf See zuletzt enorm verlängerten. Börnsen stellte mit GrainPro TranSafeliner das derzeit modernste Equipment für den Schutz trockener Agrargüter vor.•


 

http://www.rundertischkakao.de


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