sweets processing 9-10/2019

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Vielfältige Herausforderungen für die Schokoladenindustrie

Die 55. Sitzung der IVLV-Arbeitsgruppe Schokoladentechnologie in Freising war mit mehr als 100 Teilnehmern erneut sehr gut besucht. Die Experten aus Forschung und Praxis beleuchteten in ihren vielfältigen und interessanten Vorträgen zahlreiche Themen rund um Schokolade – von Allergenen über Fettreif bis zur Kinetik der FFA-Kakaobutter-Blends.

Von Alfons Strohmaier


Der primäre Auftrag der Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Ver­packung e. V. (IVLV) ist, die Forschung für Lebensmittel, pflanzliche Pro­dukte und Verpackungstechnik zu fördern. Wie konsequent und kollektiv diese Aufgaben von Wissenschaft und Industrie angegangen werden, zeigt seit vielen Jahren die Arbeitsgruppe Schokoladentechnologie vorbildlich. „Die AG Schokoladentechnologie ist mit Abstand der Goldstandard der IVLV“, betonte
Dr. Peter Eisner, Stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, in seiner Begrüßungsrede zur
55. Sitzung der Gruppe in Freising.

Mit über 100 Teilnehmern war die Veranstaltung erneut bis zum letzten Platz ausgebucht, obwohl die Organisatoren wie vor einem Jahr auf einen externen Saal ausgewichen sind.
Nahezu die gesamte Schokoladenbranche war erneut vertreten, um die spannenden Vorträge aus erster Hand von Forschungsinstituten und Indus-trie zu anzuhören – von Weltkonzernen bis zu den internationalen Mittelständlern. Unter der wissenschaftli-chen Leitung von Isabell Rothkopf vom Fraunhofer IVV moderierten Oliver Stricker von der August Storck KG, der Obmann der Arbeitsgruppe, und sein Stellvertreter Dr. Marc Lutz gekonnt die zweitägige Tagung, die ein breites Themenspektrum rund um Allerge-nität, Haselnüsse in Schokolade, Fettreifbildung, Reformulierung und Kristallisation bot.

Neben dem „unerschöpflichen Thema“ – so Dr. Eisner – Fettreifbildung prägten die Vorträge über ­Allergenität, Messtechnologien und Sensorik sowie multisensorische Wahrnehmung und Vernetzung für die datengetriebene Schokoladenproduktion die diesjährige Sitzung. Wie diffizil die Problematik der Allergene trotz klarer rechtlicher Vorgaben ist, verdeutlichte Dr. Ulrich Busch vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit etwa auch bei unbeabsichtigten Kreuz­kontimationen. Während in Europa derzeit 14 allergene Stoffe definiert sind, die entweder in der Zutatenliste hervorgehoben oder mit dem Warnhinweis „Kann Spuren von … enthalten“ versehen werden müssen, gelten weltweit wiederum andere Bestimmungen. Dass vor diesem Hintergrund ein Allergen-Management für die Betriebe unerlässlich ist, betonten sowohl Dr. Busch als auch Guido Reineke von Storck, der die Herausforderungen bei der Schokoladen-herstellung für den europäischen und außereuropäischen Markt aus der ­Praxis beleuchtete.

In diesem Zusammenhang stellten Christa Schuster-Salas, die sich mit der Firma „Infopoint Kakao und mehr“ selbstständig gemacht hat, und Isabell Rothkopf vielversprechende Projekte vor. Die frühere Ritter-Sport-Managerin Schuster-Salas berich­tete über den Entwicklungsstand des Projekts mit dem Titel „Ein Baustein zur Reduzierung unerwünschter Einträge im Spurenbereich“, das in einem ersten Schritt die Eigenschaften möglicher Zutaten in flüssiger und Pulver-Form mit ihren Auswirkungen etwa auf Oberfläche, Fließeigenschaften, Dispersität, Lösung oder Viskosität erforscht hat. Ein spannendes Forschungsprojekt, das seit Anfang des Jahres mit IVLV-Mitteln finanziert wird, ist „Ice Pigging“ als möglicherweise revolutionäre Reinigungstechnik für die Schokoladenbranche. Statt mechanischer Molche wird bei diesem innovativen Verfahren zur Säuberung ein grobes Eis-Wasser-Gemisch durch die Rohrleitungen gepumpt. Da Wasser im Schoko-ladenbereich nicht in Frage komme, experimentiert man beim Fraunhofer IVV nun mit einem groben Gemisch, bestehend aus einem eiskalten ­Schokoladenball und/oder zerkleinerter Schokolade als „Molch“ sowie ­Kakaobutter für die flüssige Phase. Das Ergebnis des Projekts, das bis ­Ende 2019 läuft und von den Firmen Sollich, WDS und Netzsch unterstützt wird, könnte laut Isabell Rothkopf ein CIP-Demonstrator sein, der für den
industriellen Einsatz validiert ist.

Die Wissenschaftlerin Rothkopf war auch mit einem Vortrag zur „Fettreifentwicklung auf Schokoladen mit ganzen Haselnüssen“ auf dem ­Podium präsent und berichtete
zudem über einen Schnelltest zur Fettreifvorhersage bei Pralinen sowie über das abgeschlossene IVLV-Projekt mit Ringversuchen zur Bestimmung der Kristallisationstendenz von Kakao­butter und -massen. Aufgrund personeller Engpässe durch Elternzeit beim Fraunhofer IVV wird Dr. Gottfried Ziegleder, der seit 1977 am Institut tätig war, kurzfristig laufende Projekte betreuen. In gewohnter Manier begeisterte der Grandseigneur der Fettreif-Forschung die Zuhörer mit seinen Referaten „Kontaktintensität – neuer Ansatz zur Fettreifforschung“ (gemeinsam mit Isabell Rothkopf) sowie „Kakaobutter – Kristallisation und Chemie“. Aufhorchen ließ Dr. Ziegleder mit dem neuen Ansatz, die Triacylglyceride POP, POS und SOS in Kakaobutter verschiedenen Ursprungs zu analysieren. Im Hinblick auf den Kakao­atlas 2002 stellt sich heraus, dass Kakaobutter aus Papua-Neuguinea die besten Voraussetzungen gegen Fettreifbildung mitbringt.

Weitere erhellende Beiträge leisteten Torsten Tybussek vom Fraunhofer IVV mit dem Thema „Food Scanner – Qualitätsbestimmung in Echtzeit“ sowie Dr. Daniel Sellin von der IRPC ­Infrared Process Control GmbH mit ­einem Bericht über den MIR-Sensor zur Messung von Fremdfett in Überziehanlagen. Das Unternehmen ist seit 25 Jahren in der Getränke- und Lebens­mittelbranche tätig und arbeitet seit fünf Jahren intensiv im Bereich der Mittelinfrarotsensorik mit Fokus auf applikationsspezifischer Sensorik. Die Detektion von Füllungsfetten könne dabei online in den Prozess integriert werden, wobei messbare Parameter wie Fettgehalt sowie die Anteile an Füllungs- und Milchfett, an gesättigten und ungesättigten Fettsäuren sowie an Palmitin-, Stearin-, Öl- und Linol-Säure „auf Knopfdruck“ verfügbar seien, berichtete Sellin.

Irene Buchmann vom Fraunhofer IVV sprach über die „Reduktion von gesättigten Fetten in Pralinenfüllungen“ und Miriam Müller von der Hochschule Trier über „FFAs & Co – Einfluss auf die Kristallisation von Kakaobutter und CBE“, ebenfalls hochinteressante Themen, die in weiteren Berichten an dieser Stelle folgen werden. Für die Unternehmen ist die Reduktion von Zucker und Fett ein sehr wichtiges Thema geworden. Diesbezüglich stellte Prof. Dr. Jessica Freiherr vom Fraunhofer IVV Studien zur „Multisensorischen Wahrnehmung“ vor, die nahelegen, das speziell der olfaktorische Prozess bei neuen Rezepturen genutzt werden könnte.

 

http://www.ivlv.org


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